Ein Ausstieg aus den Aktienmärkten ist aus heutiger Sicht laut Thomas Böckelmann, leitender Portfoliomanager der Vermögensmanagement Euroswitch, falsch. Vielmehr sieht er vermehrt Einstiegsgelegenheiten.
Zwar ließe sich derzeit nicht final beantworten, ob die erlebten starken Einbrüche bereits das Schlimmste waren, jedoch „vertrauen wir auf die Selektion unserer Anlagen und dass sich diese im Zweifel besser entwickeln als die Gesamtmärkte“, so Böckelmann.
Der Finanzmarktexperte könnte sich durchaus eine erneute Belebung der Risikobereitschaft zugunsten von Aktien vorstellen.
Vielversprechende Aktien
Die Aktienmärkte erleben zweifellos eine schwierige Zeit. „Aber Kurseinbrüche um die 20 Prozent seit Jahresbeginn sind nicht ungewöhnlich und angesichts der Unsicherheiten in der Welt scheinbar nicht übertrieben“, sagt Böckelmann.
Auch seien Kurseinbrüche von teils 85 Prozent seit den Höchstständen im Sommer letzten Jahres nachvollziehbar, wenn es sich um rein visionäre Geschäftsmodelle handelt, die weder auf Umsätze noch auf Gewinne in naher Zukunft hoffen lassen.
„Schließlich sind Zinsanhebungen für derartige Aktien Gift, da die Gewinne ferner Zukunft mit höheren Sätzen abdiskontiert werden müssen und diese Titel in den Jahren zuvor besonders stark gestiegen waren“, erläutert der Experte.
Der Fokus von Euroswitch liegt in den meisten Strategien unverändert auf sogenannten Quality-Growth-Unternehmen. Unternehmen, die über Wachstumspotenzial verfügen und schon heute Marktführer sind oder über solide Finanzen verfügen.
Oftmals sind dies auch Unternehmen, die von einer Inflation nur indirekt betroffen sind, weil sie dank ihrer Markt- und Preismacht Kostensteigerungen weitergeben können.
Investorenverhalten beeinflusst
Dennoch: Die aktuell unsichere Lage der Weltwirtschaft und Geopolitik beeinflussen das generelle Investorenverhalten und auch absolute Top-Titel geraten immer wieder unter Druck.
„Die erste Abschwungphase war rein zinsinduziert. Multiples, wie z. B. das KGV, kamen bei unveränderten Gewinnerwartungen zurück. Da zumindest im Falle einer Rezession die Gewinnerwartungen tatsächlich nicht zu halten sein werden, könnte eine weitere Abschwungphase für einige Titel bevorstehen.“ Das dürfte in den kommenden Wochen mit der Berichtssaison der Unternehmen für das zweite Quartal passieren.
„Bislang haben wir zwar schon Panik im Markt gesehen, aber noch nicht die finale Kapitulation, die oft nötig ist, um einen Boden zu finden. Danach könnte dann wieder eine sehr schnelle Gegenbewegung nach oben einsetzen, insbesondere wenn wieder mehr Zuversicht in Sachen Lieferketten und Energieversorgung einsetzen sollte. Letzteres setzt aber die Korrektur des Denkfehlers in der Energiepolitik voraus“, prognostiziert der Fondsmanager.
Gleichzeitig wird der Markt weiterhin auf jedes Wort der Notenbanken achten. Laut Experte ist denkbar, dass die Zinssteigerungen nicht so weit gehen wie teilweise befürchtet. Ein Szenario, das den Aktienmarkt ebenfalls stützen könnte.
Kombination von Wachstum und Qualität
„In unserer Aktienauswahl halten wir an unserem Fokus auf die Kombination von Wachstum und Qualität fest. Dazu gehören aktuell defensive dividendenstarke Titel im Bereich der Grundversorgung wie auch globale Marktführer aus zukunftsorientierten Technologie- und Industriebereichen“, erklärt Böckelmann.
Er ist überzeugt, dass diese Werte auch im Falle einer Rezession ihre Wettbewerbsposition halten oder sogar ausbauen können. Allerdings schließt er dabei nicht aus, dass weitere Marktverwerfungen auch diese Titel nochmal unter Druck setzen könnten: „Das betrachten wir zunehmend als Kaufgelegenheit.“
Zurückhaltung bei Anleihen
Der Finanzmarktexperte geht weiterhin von einer negativen Realverzinsung (nominale Zinsen abzüglich Inflation) aus. Deshalb setzt Euroswitch nach wie vor auf Zinsersatzstrategien, also alternativen Anlagen (sog. Liquid Alternatives), und hält sich insbesondere bei Anleihen aus dem Euroraum zurück.
Der Grund: „Die Renditeerwartungen für Euro-Anleihen stehen trotz gesehener Zinsanstiege in keinem Verhältnis zu möglichen Kursverlusten bei weiteren Zinsanstiegen oder rezessionsbedingten Ausfällen. Ferner gibt es keine positiven Diversifikationseffekte“, so Böckelmann.
Und weiter: „Allerdings sehen wir vielleicht erste Opportunitäten in Italien bei vier Prozent Rendite. Auch die USA haben über alle Laufzeiten vergleichbar attraktive Zinsniveaus erreicht – hier bevorzugen wir noch die kurzen Laufzeiten.
Als Rezessionsschutz könnten im Verlauf der kommenden Wochen aber wieder langlaufende US-Staatsanleihen interessant werden. Als Beimischung sind wir unverändert in chinesischen Staatsanleihen investiert.“
Gold als Versicherung
Gold erachtet der Fondsmanager in diesem Umfeld als ultimative Versicherung. Kurzfristig könnten die Kurse sinken – sei es, weil kurzfristig orientierte Sparer jetzt wieder Richtung Bankeinlagen wechseln, sei es, weil Russland sanktionsbedingt an die Goldreserven muss.
„Langfristig gilt, dass Gold mit der Überschuldung im Finanzsystem steigen sollte und sich damit mit einem gewissen Anteil im Portfolio als Versicherungsschutz eignet“, urteilt Böckelmann.
(EuroSwitch)