Eigentlich begann die letzte Woche mit sehr positiven Daten: Der Ifo-Index stieg auf rekordverdächtige 124,1 Punkte, und beide Sub-Indizes, also die Beurteilung der Unternehmen sowohl bezüglich der gegenwärtigen Lage als auch der nächsten sechs Monate, legten weiter zu. Am Dienstag sprach EZB-Präsident Mario Draghi auf der EZB-Konferenz im portugiesischen Sintra und zeichnete ebenfalls ein rundweg optimistisches Bild der europäischen Volkswirtschaft.
Da mag es überraschen, dass die Bilanz der Woche an den Finanzmärkten ausgesprochen ernüchternd ausfiel: Der DAX verlor 3,2%, die Bondmärkte gingen auf Tauchstation (der Bund-Future gab im Wochenverlauf um 320 Ticks nach), und der Euro stieg gegenüber dem Dollar auf über 1,14, den höchsten Stand seit gut einem Jahr.
Vielleicht war der EZB-Präsident, der vermutlich mit seiner Rede versucht hatte, den Eindruck seiner sehr in Moll gehaltenen Pressekonferenz vom 8. Juni zu relativieren, mit seinem Optimismus ein wenig über das Ziel hinausgeschossen.
Besonders eine Passage, in der er davon sprach, die gegenwärtig sehr niedrige Inflation sei durch Sonderfaktoren bedingt und es sei ratsam, „durch diese Schwäche hindurchzuschauen“, lasen nicht wenige Investoren als „hawkish“, als Signal einer bevorstehenden Wende in der Geldpolitik.
Die Reaktion war beachtlich
Erste Kommentatoren zogen Parallelen zu den berühmten Äußerungen des damaligen Fed-Chefs Ben Bernanke im Mai 2013, die das sogenannte Taper Tantrum in den USA ausgelöst hatten. Zwar entspricht die bisherige Reaktion der europäischen Bondmärkte nur einem Bruchteil des Sprungs, den einst die 10 Year Treasuries infolge der Bernanke-Rede vollzogen hatten, und natürlich ruderte die EZB auch prompt erschrocken zurück. Aber der Geist ist aus der Flasche, das Gespenst des „Old Normal“ geistert durch die Handelssäle.
Aus unserer Sicht ist das Szenario, welches die Märkte in Reaktion der Draghi-Rede gezeichnet haben, ein seit langem bekanntes. Die geldpolitische Wende, also eine Welt, in der die Zentralbanken nicht mehr „the only game in town“ sind, nicht mehr auf ewig Niedrigzinsen versprechen und geradezu unbegrenzt Finanztitel ankaufen, stand ohnehin schon seit langem ins Haus.
Die Fed ist als erste große Zentralbank vorausgegangen, verbal durch die oben angesprochenen Bernanke-Kommentare, faktisch durch das Ende ihrer Anleihekäufe und die seit Dezember 2015 wieder – ganz langsam – steigenden Zentralbankzinsen.
Die EZB ist hier auf dem Zeitstrahl weit hintenan, kein Wunder, denn im Vergleich zu den USA wurde das Bankensystem erst fünf Jahre später repariert, die Rückkehr der Inflation dürfte sich also deutlich mehr Zeit lassen.
Rechnen wir aber mal nach, dann befinden wir uns immerhin gut vier Jahre nach dem US Taper Tantrum. Die Märkte haben also vermutlich recht, wenn sie davon ausgehen, dass nun auch in Europa die geldpolitische Wende unmittelbar bevorsteht. Verwunderlich ist dabei allenfalls, dass dies so viele Marktteilnehmer zu wundern scheint… (BR)