Die US-Wirtschaft ist im zweiten Quartal geschrumpft, zum zweiten Mal in Folge. Nach landläufiger Meinung befindet sich die amerikanische Wirtschaft damit in einer Rezession.
Ob dies aus ökonomischer Sicht wirklich so ist, darüber kann durchaus gestritten werden – vor allem weil das Minus im ersten Quartal fast ausschließlich von deutlich sinkenden Exporten verursacht wurde, während die Inlandsnachfrage noch recht robust blieb.
Entscheiden wird diesen Streit das National Bureau of Economic Research irgendwann im kommenden Jahr.
Wichtig für die Beurteilung der aktuellen Lage ist ohnehin etwas anderes. Die Dynamik der US-Wirtschaft hat im bisherigen Jahresverlauf nachgelassen: Während Konsum und Investitionen im ersten Quartal noch 0,5 Prozentpunkte zum Wirtschaftswachstum beitrugen, kippte dieser Wert im zweiten Quartal mit 0,1 Prozentpunkten ins Minus.
Inflationsbekämpfung braucht langen Atem
Die Ursache ist klar: Die geldpolitische Straffung der amerikanischen Notenbank zeigt inzwischen die beabsichtigte und mit Blick auf die Inflation auch notwendige Wirkung.
Denn für die Rückführung exorbitant hoher Inflationsraten in Richtung des 2-Prozent-Ziels ist es wichtig, dass Unternehmen im Angesicht einer schwächeren Nachfrage ihre gestiegenen Kosten nicht mehr ohne weiteres an ihre Kunden weitergeben können und in der Folge auch ihren Beschäftigten geringere Lohnsteigerungen gewähren.
Vorerst steigen die Preise und damit die Inflationsraten in den USA jedoch weiter an. Einen wesentlichen Beitrag dazu leisteten zuletzt die Mietkosten, was angesichts weiter steigender Hauspreise nicht verwundert. Bei einem insgesamt schwächer werdenden Immobilienmarkt dürfte diese Entwicklung allerdings bald zu einem Ende kommen.
Fed mit konsequenter Linie
Die Fed, die im vergangenen Jahr die Inflationsentwicklung lange Zeit falsch eingeschätzt hatte, korrigierte ihre Position seit dem Herbst 2021 schrittweise und stellte spätestens seit dem Frühjahr 2022 ihr Handeln vollständig in den Dienst der Inflationsbekämpfung.
Negative Veränderungsraten des BIP nahm und nimmt sie billigend in Kauf und vertraut darauf, dass das Fehlen gravierender gesamtwirtschaftlicher Ungleichgewichte das Ausmaß des wirtschaftlichen Abschwungs begrenzt.
Bis zum Jahresende hat die Fed weitere Zinserhöhungen um insgesamt 75 Basispunkte angekündigt, obwohl es aller Voraussicht nach auch im zweiten Halbjahr 2022 bei einer sehr schwachen und möglicherweise sogar negativen Wirtschaftsentwicklung in den USA bleiben wird.
EZB ist jetzt gefordert
Die EZB könnte von der Fed lernen, denn auch im Euroraum sind die Inflationsraten exorbitant hoch, und die EZB ist sogar primär auf das Ziel der Preisniveaustabilität verpflichtet (während die Fed auch immer noch den Arbeitsmarkt im Blick hat).
Zwar hat die EZB im Juli (viel zu spät) einen ersten Zinsschritt vorgenommen, ihr weiteres Vorgehen allerdings bewusst offengelassen. Stattdessen will sie von Sitzung zu Sitzung jeweils „datenabhängig“ entscheiden, ob und in welchem Umfang sie die Zinsen anheben wird.
Da auch im Euroraum das Wunder eines plötzlichen Inflationsrückgangs nicht eintreten wird, ist gänzlich unklar, welche Daten die EZB davon abhalten sollten, mit weiteren Zinserhöhungen ihrer Aufgabe gerecht zu werden.
Besser wäre es deshalb, nach dem Vorbild der Fed eine klare Linie zu verfolgen und diese so zu kommunizieren, dass sich Unternehmen und Verbraucher darauf einstellen können.
(FERI Gruppe)