Wirtschaft

Verlockende Euro-Zinsen

Argentinien hat sich mit einem spektakulären Auftritt an den internationalen Anleihemärkten zurückgemeldet. Das war eine der wichtigsten Nachrichten in der Fixed-Income-Szene in der gerade abgelaufenen Woche.

Das im Jahr 2001 zahlungsunfähig gewordene Land, das seitdem auch nicht mehr am Markt aktiv war, startete im Dollar gleich mit vier Tranchen durch und räumte mächtig ab. Die Investoren standen Schlange bei den Konsorten – globale Koordinatoren des Deals waren Deutsche Bank, HSBC, J.P. Morgan und Santander, zu den Bookrunnern gehörten BBVA, Citigroup und UBS -, um ihre Orderwünsche abzuliefern. Am Ende der zweitägigen Transaktionsphase hatten die Banken für die Single-B-Adresse Orders von mehr als 68 Mrd. Dollar zusammen. Der Deal wurde 16,5 Mrd. Dollar schwer. Die Argentinier zahlen den Investoren für die Laufzeiten von drei, fünf, zehn und 30 Jahren Renditen von 6,25%, 6,875%, 7,5% bzw. 8%. Das sieht nach viel aus. Im gegenwärtigen Umfeld von Niedrig- bzw. historischen Tiefstzinsen und Negativzinsen ist es das wohl auch. Aber man muss eben auch bedenken, dass es sich um den ersten Auftritt nach einer Zahlungsunfähigkeit handelt. Es hat Zeiten gegeben, in denen eine Marktrückkehr sehr viel teurer war. Und man sollte des Weiteren bedenken: Im Sommer 2007, als die Subprime-Krise nach Deutschland kam, zahlte der Bund im zehnjährigen Laufzeitenbereich Renditen in der Spanne von 4,5 bis 5%. Und heute zahlt der ehemalige Pleitestaat Argentinien bei zehn Jahren gerade einmal 2,5 bis 3 Prozentpunkte mehr.

Libanon folgt

Das Beispiel Argentinien scheint verlockend gewesen zu sein. Nur einen Tag später kam der Libanon bei den Investoren zu Besuch. 1 Mrd. Dollar wurden über zwei Bonds hereingeholt. Der 2024 fällige Titel ging zur Rendite von 6,65% an die Anleger, der bis 2031 laufende Bond zu 7%. Am gleichen Tag besorgte sich auch Saudi-Arabien Geld, allerdings erstmal über einen Kredit von Banken aus den USA, Europa und Japan. Das Königreich beschaffte sich laut Insidern 10 Mrd. Dollar über einen Zeitraum von fünf Jahren. Das Geld braucht das Land, um sein Haushaltsloch zu stopfen. Und noch etwas geisterte durch den Markt: Es könnte nicht der einzige Auftritt Saudi-Arabiens gewesen sein. Neben dem Bankkredit könnte es auch noch eine Anleihe geben.

Wohl wahr. Denn die rohstoffexportierenden Länder, allen voran die erdölexportierenden Staaten brauchen Geld. Die Haushaltskasse weist durch die rückläufigen Einnahmen infolge der abgeschmierten Rohstoffpreise, insbesondere des dramatischen Ölpreisverfalls, heftige Löcher auf, die es zu schließen gilt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Preisverfall bei Öl & Co. nicht gerade eine vorübergehende Angelegenheit ist, die so mancher Staat bequem aussitzen könnte, sondern dass sich seit geraumer Zeit keine Trendwende abzeichnet. Auch die Gespräche in Doha/Katar vor Wochenfrist verliefen ergebnislos. Der Ölmarkt wird weiter von Überversorgung gekennzeichnet sein.

Die Beispiele Argentinien und Libanon könnten deshalb an den Märkten Schule machen. Nachahmer könnten andere Opec-Staaten sein, die sich Geld über die Bondmärkte beschaffen, sei es um Löcher zu stopfen oder einfach nur vorsorglich, da die Konditionen günstig sind. So wie bei vielen Unternehmen könnte der eine oder andere Staat durchaus zum Mittel der Cash-Hortung greifen.

Zu denken ist in diesem Zusammenhang in erster Linie an Auftritte im Dollar, da man hierüber eine internationale Investorenschaft erreicht. Aber im Euroraum sind die Zinsen auch verlockend. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat ihr Anleihekaufprogramm ausgeweitet, und mit diesem Programm drückt sie die Renditen der betreffenden Papiere immer weiter herunter. Infolgedessen könnten sich die Länder durchaus auch für auf Euro lautende Anleihen interessieren. Über parallele Dollar- und Eurobonds ließe sich die Anlegerschar auch diversifizieren.

Fragt sich nur, wie gut die Aufnahmekapazität des Marktes ist. Ohne Frage werden diese Anleihen nicht Gegenstand des Bondkaufprogramms der EZB, denn es handelt sich bekanntlich um Adressen außerhalb des gemeinsamen Währungsgebietes. Aber die Investoren sind im Euroraum auf der Suche nach Rendite bzw. Rendite-Pick-ups. Diese Länder können solche Aufschläge durchaus noch bieten und kommen im historischen Vergleich aufgrund der deutlich gesunkenen risikolosen Zinsen/ Renditen dann immer noch sehr günstig an dieses Kapital. Die Investoren werden bei solchen Bonds Schlange stehen, vielleicht nicht bei jedem Bond, aber bei sehr vielen.

Börsen-Zeitung, 23.04.2016, Autor Kai Johannsen, Nummer 78, Seite 1

BZ

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