Warum uns die Pandemie noch so lange beschäftigen wird und worauf es beim Wirtschafts-Comeback genau ankommt, erklärt Andreas Billmeier, Analyst bei der Legg-Mason-Boutique Western Asset Management, in seinem aktuellen Marktkommentar.
Kaum eine Frage wird aktuell häufiger diskutiert als die nach der ökonomischen Erholung. Doch was macht eine Erholung überhaupt aus? Mit Wachstum allein ist es nicht getan. Schon im zweiten Halbjahr rechnen wir damit, dass die Wirtschaft wieder wächst. Doch erst, wenn wir das Vor-Krisen-Niveau wieder erreicht haben, ist die Erholung vollzogen. Bis das allerdings der Fall sein wird, kann es durchaus zwei Jahre dauern. Warum?
Regionale Unterschiede entscheiden über wirtschaftliche Erholung
Neben der Nachfrage ist auch das Angebot stark von der Krise betroffen. Zwar haben Notenbanken und Staaten, so gut es ging, gegengesteuert, doch werden die Folgen des Lockdown, die steigenden Arbeitslosenzahlen, das veränderte Verhalten der Konsumenten sowie aufgeschobene Investitionen tiefe Narben in der Wirtschaft hinterlassen. Zugleich sind weltweite Lieferketten gestört und selbst nach einem vorsichtigen Anfahren der Wirtschaft bleibt das Risiko von Rückschlägen.
Angesichts der weltweiten Verschränkung der globalisierten Wirtschaft sind sämtliche Volkswirtschaften von der Pandemie betroffen. Dennoch gibt es regionale Unterschiede: Neben der Schwere der Krise und der Einschränkungen sind dies die Höhe und Art der fiskal- und geldpolitischen Unterstützung, die Struktur der Wirtschaft sowie die Bedeutung der Auslandsnachfrage für das jeweilige Land.
Die USA und Europa unterscheiden sich in ihren Maßnahmen gegen die Krise in erster Linie in Details: Zwar nahmen die Vereinigten Staaten mit rund zwölf Prozent gemessen an der Wirtschaftsleistung mehr Geld für direkte Anreize in die Hand als Europa (fünf Prozent), jedoch vergab Europa deutlich mehr Darlehensgarantien. Diese helfen dabei, mehr Arbeitnehmer in ihren Jobs zu halten, während dies in den USA aufgrund eines flexibleren Arbeitsmarktes weniger nötig ist.
Zeitpunkt des Ausbruchs für Wirtschafts-Comeback irrelevant
Im Bereich der Geldpolitik haben die Eurozone und auch die USA in etwa gleich starke Signale gesetzt. Die Volkswirtschaften in Schwellenländern sind im Vergleich hierzu deutlich zurückgeblieben. Dies ist dem Umstand geschuldet, dass die Pandemie die Länder außerhalb Chinas mit Verzögerung getroffen hat und sie zudem weniger finanziellen Spielraum für derartige Maßnahmen haben. Auch die ökonomische Struktur der Wirtschaft in vielen Schwellenländern spricht eher gegen eine rasche Erholung: Die Krise hat gezeigt, dass Volkswirtschaften im Vorteil sind, die einen großen Teil ihrer Wertschöpfung aus dem Homeoffice erzielen können. Volkswirtschaften mit Schwerpunkten in den Bereichen Rohstoffförderung und Industrie dürften daher vorerst das Nachsehen haben.
Dass diejenigen Regionen, die früher von der Pandemie getroffen wurden, gegenüber Nachzüglern im Vorteil sind, ist ein weit verbreiteter Irrglaube. Dieser Irrtum wird umso deutlicher, je eher man die Exportabhängigkeit berücksichtigt: In den USA liegt diese bei zwölf Prozent, in China bei zwanzig Prozent und in Europa bei dreißig Prozent. Auch wenn die Pandemie in einer Region eingedämmt scheint, sorgt die hohe Abhängigkeit von der Nachfrage aus dem Ausland dafür, dass die Wirtschaft so schnell nicht wieder in Fahrt kommt.
Exportabhängigkeit als Chance
Einzige Profiteure ihrer Exportabhängigkeit könnten dagegen diejenigen Schwellenländer in Asien sein, die schon jetzt an der Erholung der chinesischen Wirtschaft partizipieren und zugleich im Bereich Dienstleistungen stark aufgestellt sind. Von den großen Wirtschaftsräumen dürfte Europa die Krise mit am schnellsten hinter sich lassen. Die Interventionen von Regierungen und Notenbanken waren umfassend und auch der Arbeitsmarkt bleibt dank der ergriffenen Maßnahmen intakt.
(Legg Mason)