Das Wachstum enttäuschte im dritten Quartal, gleichzeitig stiegen die Preise deutlich. Das verstärkt die Befürchtung, dass die Inflation nicht so bald vorübergehen wird. Da viele industrielle Vorprodukte noch eine Weile knapp bleiben dürften, ist eine Entspannung bei der Preisentwicklung vorerst nicht in Sicht. Auch der starke Anstieg der Energiepreise wird sich in den Inflationsdaten in den kommenden Monaten bemerkbar machen. Je länger das Inflationsniveau jedoch auf einem hohen Niveau bleibt, desto größer wird auch das Risiko für steigende Löhne – das gilt vor allem dort, wo Knappheiten am Arbeitsmarkt den Lohnanstieg begünstigen.
Globaler Warenverkehr weiterhin beeinträchtigt
Konjunkturell gibt vor allem die Entwicklung in China Anlass zur Sorge. Dort hat die Wachstumsdynamik noch stärker als erwartet nachgelassen, seit die Führung durch regulatorische Eingriffe in einer Reihe von Branchen versucht, Fehlallokationen abzubauen und andere wirtschaftspolitische Prioritäten zu setzen. Unter der Schwäche Chinas leidet insbesondere der Exportsektor vieler Schwellenländer. Erschwerend kommt hinzu, dass hohe Infektionszahlen in Verbindung mit noch immer niedrigen Impfquoten in etlichen Ländern wie Thailand, Vietnam, Indonesien oder den Philippinen weiterhin gravierende Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung erzwingen. Die Folge sind anhaltende Störungen im weltweiten Warenverkehr mit erheblichen Auswirkungen auch auf die Industrieländer. Hier hat der industrielle Sektor im dritten Quartal kaum zu einer positiven Wirtschaftsentwicklung beigetragen. Die Unterbrechungen in den globalen Lieferketten und die daraus resultierenden Knappheiten tragen ihrerseits wesentlich zur hohen Preisdynamik bei.
Dienstleistungssektor mit gedämpften Aussichten
Die Schwäche des Industriesektors wurde durch den Dienstleistungssektor wiederum kaum kompensiert: Die Ausbreitung der Delta-Variante und Warnungen vor weiteren Infektionswellen verunsichern selbst bei hohen Impfquoten viele Menschen und bremsen deren Konsumbereitschaft, was vor allem in Sektoren wie dem Tourismus oder dem Hotel- und Gaststättengewerbe, aber auch im Freizeitbereich die Rückkehr zu den Vor-Corona-Umsatzniveaus bis auf weiteres verhindert.
Hoffen auf stärkeres Wachstum
Eine wieder positivere Wachstumsdynamik im vierten Quartal erscheint dennoch möglich. Vieles hängt auch hier wieder von der weiteren Entwicklung in China ab. Die historische Erfahrung legt nahe, dass die dortige Führung eine zu starke Abkühlung des Wachstums scheut und deshalb möglicherweise wieder stimulierende Maßnahmen ergreift. In den Schwellenländern ist zudem ein deutlicher Anstieg der Impfquoten abzusehen, was die Anfälligkeit für neue Infektionswellen und damit die Notwendigkeit von Beschränkungen zur Pandemiebekämpfung mindert. In den Industrieländern schließlich könnten weitere Länder dazu übergehen, Corona-Maßnahmen mehr oder weniger vollständig aufzuheben und den Umgang mit dem verbleibenden Infektionsrisiko den Bürgern selbst zu überlassen. Sollten sich diese Faktoren durchsetzen, wäre eine Wiederbelebung der Wirtschaft möglich, so dass die meisten Länder um den Jahreswechsel herum das Ausgangsniveau vor der Corona-Pandemie wieder erreichen könnten.
(Axel D. Angermann)