Der zuletzt abrupte Verkauf von Anlagen aus den Schwellenländern (EM) hat Fragen über deren langfristige Aussichten aufgeworfen – und das obwohl die Verkaufstreiber nicht allein für die Schwellenländer gelten. Deutet der jüngste Volatilitätsanstieg darauf hin, dass der Markt einbricht nun da der EM-Wachstumszyklus ins Negative dreht? Oder wird die Volatilität nachlassen? Dann könnten sich aus den Kursrückgängen, die sich eher willkürlich auf Schwellenländer-Vermögenswerte ausgewirkt haben, gute Anlagegelegenheiten ergeben.
Was treibt die Schwäche der EM-Vermögenswerte an?
Die Schwellenländerinvestments wurden durch drei Wellen geschwächt. Im ersten Quartal dieses Jahres verlangsamte sich das globale Wachstum. Die zweite Welle ging eher von politischen Entwicklung in Ländern wie Brasilien und Mexiko aus. Die dritte Welle entstand erst kürzlich durch den zunehmenden Handelskonflikt zwischen den USA und China. Dadurch entwickelten sich kleinere asiatische Volkswirtschaften, die Teil der chinesischen Wertschöpfungskette sind, schlechter.
Um das Erholungspotential und die Attraktivität von EM-Vermögenswerten zu beurteilen, ist Geduld gefragt. Wir gehen jedoch davon aus, dass die längerfristigen Argumente für Schwellenländeranlagen intakt bleiben. Dazu zählen ein starkes Wachstum, günstige demografische Entwicklungen, niedrige Verschuldung, solide Bilanzen oder das Wachstumspotenzial bei Unternehmensgewinnen.
Sind Schwellenländer anfällig, wenn ausländische Kapitalzuflüsse zurückgehen?
Verglichen mit früheren angespannten Marktphasen sind Schwellenländer mittlerweile viel besser aufgestellt, um einen plötzlichen Einbruch ausländischer Kapitalzuflüsse zu bewältigen. Erstens haben die meisten Schwellenländer reichlich Devisenreserven aufgebaut, um dies ausgleichen zu können, und zweitens sind ihre Fundamentaldaten mittlerweile einfach positiver. Zudem sind in EM-Vermögenswerte bereits erhebliche Risiken eingepreist. Das verringert aus unserer Sicht die Gefahr, dass ihre Bewertungen weiter zurückgehen, was zu zusätzlichen Abflüssen führen könnte.
Wie sind die Aussichten für Kapitalzuflüsse in Schwellenländer?
Mit Blick auf die Zukunft beobachten wir drei Faktoren, die das makroökonomische Umfeld der Schwellenländer beeinflussen dürften:
Sinkende Liquidität: Die globale quantitative Lockerung verwandelt sich Stück für Stück in eine quantitative Straffung. Die entsprechend höheren Zinssätze in den Industrieländern dürften zu geringeren Kapitalzuflüssen in den Schwellenländern beigetragen haben. Unserer Meinung nach drückt sich hier eine breitere, globale Portfolioanpassung aus, die nicht exklusiv mit den Schwellenländern zusammenhängt.
Die aktuelle Stärke des US-Dollars spiegelt wider, wie solide sich das US-Wachstum derzeit entwickelt. Zweifellos haben Verschiebungen in den Anlegerpositionierungen das Ausmaß dieser Entwicklung gestützt. Sollte sich die positive Dynamik der globalen Konjunktur stabilisieren oder fortsetzen, dürfte das den Aufwärtstrend des Dollars bremsen und den Druck auf die Schwellenländer mindern.
Die Volkswirtschaften der Schwellenländer wachsen weiterhin deutlich schneller als ihre Pendants in den Industrieländern. Nur China bildet dabei eine Ausnahme. Ein langsameres Wachstum ist jedoch nicht gleichbedeutend mit einem Wachstumsrückgang, daher bleibt das Gesamtbild intakt.
Ist die jüngste Preisentwicklung bei den EM-Investments gerechtfertigt?
Die zuletzt unterdurchschnittliche Entwicklung der Schwellenländer kam plötzlich und wirkte sich willkürlich auf EM-Vermögenswerte aus. Idiosynkratische Faktoren mögen eine Preiskorrektur in ausgewählten Märkten gerechtfertigt haben, aber eine breite und anhaltende Schwäche erscheint nicht begründet. Wir halten angesichts der starken gesamtwirtschaftlichen Fundamentaldaten und der verbesserten Widerstandskraft an unserer langfristig optimistischen Haltung gegenüber den Schwellenländern fest.
Welcher Investmentansatz ist vor allem für EM-Anleihen geeignet?
Das Anlageuniversum für Schwellenländeranleihen ist riesig und sehr vielfältig und dürfte von einer vielversprechenden Makro- und Mikrodynamik profitieren. Faktoren wie ein starkes Wachstum, eine gute demographische Entwicklung, niedriger Verschuldungsgrad, allgemeine Bilanzstabilität und das Wachstumspotenzial der Unternehmensgewinne werden dem über einen mittel- bis langfristigen Anlagehorizont zugute kommen.
Vielfalt innerhalb der Anlageklasse schafft zudem Vielfalt in der Performance. Deshalb ist aktives Management unerlässlich. Hohe Renditen und Spread-Prämien können sich auch aus Faktoren wie bspw. geringer Liquidität, Kreditrisiken und politischen Unsicherheiten ergeben. Eine geschickte Anleihenauswahl kombiniert mit einer Top-Down-Makroanalyse kann idiosynkratrische Investmentchancen aufzeigen, bei denen Renditen und Spread-Prämien die damit verbundenen Risiken adäquat kompensieren.
Zu guter Letzt: Obwohl sich die Volkswirtschaften der Schwellenländer weiterentwickeln und sich ihre Finanzmärkte hinsichtlich ihrer Auswahl und Qualität vertiefen, sind EM-Vermögenswerte nach wie vor von globalen und inländischen Kräften abhängig. Ein dynamischer und risikobewusster Investmentprozess hilft, die Anlageperformance in einem sich ständig verändernden globalen makroökonomischen und politischen Umfeld zu steuern.
(Goldman Sachs Asset Management)