Die vielleicht drängendste Frage für die internationalen Märkte bis zum Jahresende ist, in welchem Maße die selbstverschuldete Kehrtwende in der Handelspolitik sich auf Aktien auswirken wird. Die Aufmerksamkeit richtete sich dabei bisher vor allem auf die beiden größten Volkswirtschaften der Welt, China und die USA. Doch die Frage ist nirgends relevanter als in Japan, das den Streit seiner beiden größten Handelspartner abwartend verfolgt.
Aus der Schusslinie halten
Die gute Nachricht für das Land ist, dass die trumpschen Importzölle, die Japan betreffen, ausschließlich auf Stahl und Aluminium erhoben werden. Japan exportiert zwar einige Metalle in die USA, doch die Volumen sind verglichen mit denen anderer Industrieprodukte wie Maschinen und Fahrzeuge sehr gering. Dies scheint Trump bislang entgangen zu sein.
Es bleibt allerdings das Risiko, dass Handelsbarrieren im Automobilsektor hochgefahren werden. Da Japan selbst jedoch ausländischen Unternehmen für den Zugang zu seinem Automobilmarkt keine Zölle auferlegt, wird das Land in seinen Zielmärkten somit kaum höhere Handelsbarrieren provozieren.
Gewinne in Gefahr
In der Detailansicht können Beobachter also durchaus zuversichtlich sein. Aber wir sind uns darüber im Klaren, dass die grundsätzliche Besorgnis bezüglich negativer Effekte auf den Handel vielleicht von noch größerer Bedeutung ist.
Wir verdeutlichen dies mit zwei einfachen, aber wichtigen Fakten: Zum einen hängt die weltweite Wirtschafts- und Markterholung seit 2009 mit dem Wachstum des Welthandels zusammen (wahrscheinlich als Ursache und Wirkung), und zum anderen korrelieren die weltweiten Handelsvolumen in hohem Maße mit dem Gesamtgewinn börsennotierter japanischer Unternehmen.
Zweifelsfrei beeinflusst das weltweite Wachstum auch Japans eigene Aussichten. Der jüngste Weltwirtschaftsausblick des IWF warnte, dass das anhaltende Risiko eines Handelskrieges das weltweite Wachstum in erheblichem Maße bremsen könnte. Würde diese Auseinandersetzung eskalieren, wäre auch Japan betroffen. Das ist auch der japanischen Regierung nicht entgangen, die Gegenzölle vermieden und zum ersten Mal seit acht Jahren den Dialog mit China gesucht hat – teilweise um sich selbst gegen den aufkommenden Protektionismus zu schützen.
Blick über die Schlagzeilen hinaus
Wenngleich japanische Aktien mit dem weltweiten Wachstum verknüpft sind, versuchen wir als Bottom-up-Anleger über die Schlagzeilen hinaus zu blicken. Wir suchen nach attraktiven Themen, auf die ein Handelskrieg keine Auswirkungen haben dürfte.
Einer der vielversprechenden Trends in der Region ergibt sich beispielsweise aus der demografischen Entwicklung. Japan hat eine alternde Bevölkerung, und die Zahl der Todesfälle übertrifft die Geburten um durchschnittlich 1.000 pro Tag. (1) Dadurch entsteht eine wachsende Nachfrage nach Dienstleistungen wie günstige, moderne Gesundheitsversorgung, die etwa durch Unternehmen wie EIKEN, das mikrobiologische Diagnostik anbietet, sichergestellt wird. Diese Unternehmen profitieren von vermeintlich negativen demografischen Trends – Trends, die in Japan unabhängig von der internationalen Handelsdynamik bestehen.
Dazu zählt auch das zunehmende Bestreben, die Corporate Governance zu verbessern. Verglichen mit anderen bedeutenden Industriestaaten ist die Unternehmensführung in Japan Stand heute ausbaufähig. Die Regierung erklärte deswegen, dass diese Thematik Priorität genießen würde. Daraus ergeben sich Chancen für Anleger. Aus unserer Sicht gibt es mehrere Unternehmen mit viel Aufwärtspotential. Sie dürften ihr Potenzial dann entfalten, sobald die erwähnten Corporate Governance Maßnahmen greifen, die Kapitalverwaltung sich verbessert und die Unternehmensvorstände unabhängiger agieren können. Dadurch dürfte in verhältnismäßig kurzer Zeit viel Entwicklungspotential freigesetzt werden.
Aus diesem Grund bereitet uns ein möglicher Handelskrieg keinen besonderen Anlass zur Sorge. Eine grundlegende Wende im Welthandel scheint unwahrscheinlich, und nach unserer Auffassung bietet Japan attraktive Trends, die unabhängig von der weltweiten Handelsentwicklung bestehen.
Gemengelage als Chance sehen
Die nächsten Monate könnten einige Überraschungen bereithalten. Der Win-Win- Charakter des Handels besteht aber darin, dass für alle Parteien Anreize bestehen, vorsichtig vorzugehen. Das ist auch unser Basisszenario. So wie es zurzeit aussieht, dürfte Japan von den US-Zöllen nicht übermäßig betroffen sein. Wenn Anleger an den richtigen Stellen suchen, bieten sich in Japan unabhängig von der Entwicklung an der Handelsfront interessante Investmentchancen.