Im Einkauf und im Lieferketten-Management vernachlässigen viele Unternehmen das Thema Diversity. Sie verpassen damit die Chance auf ein besseres Risikomanagement und mehr Wertschöpfung. Zu diesem Ergebnis kommt eine gemeinsame Studie des Bundesverbandes Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. (BME) und der Strategieberatung Oliver Wyman.
Befragt wurden 120 Führungskräfte von Unternehmen im deutschsprachigen Raum. Die Experten mahnen ein rasches Umdenken an: Wer die Vielfalt bei den Beschäftigten nicht priorisiere, schwäche die eigene Wettbewerbsposition.
Einkauf und Supply Chain Management werden zu Schlüsselpositionen
Chipmangel, verspätete Containerschiffe, Cyberattacken auf Transporteure: In der Corona-Pandemie werden die Funktionen Einkauf und Supply Chain Management in Unternehmen zu Schlüsselpositionen. Angesichts wachsender Beschaffungsengpässe und Lieferkettenstörungen verschieben sich auch die Anforderungen an das Management.
„Wo lange Zeit das Kostensparen wichtigstes Ziel war, geht es nun zunehmend um Risikomanagement – und dabei auch um kreative Lösungen. Zudem wird von den Verantwortlichen ein höherer Wertschöpfungsbeitrag erwartet“, sagt BME-Vorstandsvorsitzende Gundula Ullah.
Wie aber können Einkäufer und Lieferketten-Manager den neuen Aufgaben gerecht werden? Ein zentraler Ansatzpunkt ist die Vergrößerung der Vielfalt unter den Beschäftigten – das zeigt eine gemeinsame branchenübergreifende Studie von BME und der Strategieberatung Oliver Wyman unter 120 einschlägigen Führungskräften im deutschsprachigen Raum.
Die Erhebung untersucht die persönlichen Erfahrungen sowie Maßnahmen der Unternehmen in Bezug auf Diversität – also Vielfalt mit Blick auf den kulturellen, religiösen oder ethnischen Hintergrund oder die sexuelle Identität von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.
Erkenntnis noch nicht angekommen
„Vorreiter erkennen: Zunehmende Diversität steigert die Wertschöpfung über Kostenersparnisse hinaus und sorgt für eine effektivere Zusammenarbeit“, sagt Rainer Münch, Partner und Leiter der deutschen Praxisgruppe Operations bei Oliver Wyman.
Doch in der Breite ist diese Erkenntnis noch nicht angekommen. Noch 42 Prozent der Befragten messen Diversity nur eine geringe oder vergleichsweise geringe Bedeutung bei. Ein weiteres Ergebnis: Lediglich 30 Prozent haben ihre Anstrengungen für mehr Diversity in den vergangenen drei Jahren erhöht.
Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit
Fragt man allgemein nach der Einstellung zu Diversity-Themen, zeigt sich eine breite Mehrheit positiv. So stimmen 97 Prozent der befragten Frauen und 87 Prozent der Männer der Aussage zu, dass Menschen in ihrer Organisation ganz unabhängig von ihrem kulturellen, religiösen, ethnischen oder sozialen Hintergrund grundsätzlich Wertschätzung erfahren.
Im Alltag ergibt sich ein anderes Bild: Elf Prozent der Frauen verneinen die Aussage, dass Kolleginnen und Kollegen sich unabhängig von ihrem Geschlecht, sozialen Hintergrund oder ihrer Identität respektieren. Zudem berichten 37 Prozent der Frauen, dass sie bereits Belästigung oder Diskriminierung am Arbeitsplatz erlebt haben.
„Es offenbaren sich teils deutliche Unterschiede zwischen Anspruch und Wirklichkeit“, sagt Madalina Gavrila, Leiterin der Studie von Seiten Oliver Wyman. „In vielen Unternehmen besteht erheblicher Aufklärungs- und Handlungsbedarf.“
Frauen stark unterrepräsentiert
Besonders im Supply Chain Management sind Frauen laut der Erhebung stark unterrepräsentiert. Nur 15 Prozent der Unternehmen kommen hier auf über 40 Prozent Frauenanteil. Das Management ist in beiden Bereichen stark männlich dominiert. Laut Studie zeichnet sich allerdings ein Umsteuern ab – hin zu stärker divers besetzten Führungsteams.
„Das sogenannte Sponsorship from the Top, also die gezielte Förderung von Diversität durch das Management, erlebt zumindest einen leicht wachsenden Zuspruch“, sagt BME-Vorstandsvorsitzende Ullah. „Dies ist ein guter Weg, um mehr Diversität zu erreichen.“ Bislang ist dieses Werkzeug laut Studie allerdings erst bei 22 Prozent der Unternehmen im Einkauf und bei 29 Prozent im Lieferkettenmanagement etabliert.
Verstärkter Einsatz für die Vielfalt
Die Befragten erwarten in den kommenden drei Jahren mehr Diversity-Initiativen für die Gebiete Firmenkultur, Rekrutierung, Karriere-Entwicklung sowie Training und Weiterbildung.
Oliver-Wyman-Expertin Gavrila rät, eine Messung der eigenen Aktivitäten und ihrer Ergebnisse nicht zu vernachlässigen. „Wer sein Engagement auf Wirksamkeit überprüft, hat es leichter, die Akzeptanz für mehr Diversity zu steigern.“
Noch dominieren äußere Faktoren als Motivation, die Diversitätsthemen zu fördern. 81 Prozent der befragten Manager geben an, dass rechtliche Vorgaben ihre Diversity-Strategie antreiben. Nur 65 Prozent sehen die Vielfalt im Unternehmen durch die Aussicht auf eine höhere wirtschaftliche Leistung beflügelt.
Experte Münch warnt davor, den möglichen Leistungszuwachs zu unterschätzen. „Diversity wird immer mehr zum Wettbewerbsfaktor“, sagt er. „Wer hier zögerlich handelt, bremst das eigene Wachstum.“
(BME)