Seinen Namen setzte die staatliche Verwaltung für Presse und Publikationen (GAPP) als oberste Zensurbehörde einfach nicht auf die Delegationsliste. Sind somit jene über 100 Autoren, die ab heute das Gastland China am Main vertreten, allesamt linientreue Vasallen? Dient der Buchmesse-Besuch einem autoritären Regime nur als liberales Feigenblatt? Wohl kaum. Gewiss, auch der Vorsitzende des unabhängigen Pen-Clubs in China, Liu Xiaobo, wartet im Gefängnis auf seinen Prozess wegen "Untergrabung der Staatsgewalt". Doch zugleich sitzen schon morgen Autoren desselben Pen-Verbands auf dem Frankfurter Podium und diskutieren über "Literatur und Macht". Ebenso wenig wie die Olympischen Spiele wird auch die Buchmesse Pekings Unterdrückungs-Strategien im Handstreich beenden. Und dass der Börsenverein die GAPP als Ansprechpartner akzeptieren musste, ist eine bittere Pille. Umgekehrt lässt sich China auf fremdem Terrain auf ein Großereignis ein, das es nicht kontrollieren kann. Da sind auch die Gastgeber gut beraten, die Besucher nicht in Dissidenten und Staatsknechte zu klassifizieren. Denn diese Formel muss angesichts eines Landes versagen, das seinen rasanten Wandel selbst kaum begreift. Meinungsfreiheit gegen Zensur ist nur noch eine von vielen Frontlinien. Zugleich nämlich gerät die ernsthafte iteratur durch leicht konsumierbare Kassenschlager unter Druck – der Markt frisst die Widerspenstigen womöglich gar effektiver als der Staat. Dennoch bleibt der Frankfurter Auftritt für beide Teilnehmer ein Balanceakt, Eklat-Gefahr inklusive. Da könnte es eine taugliche Arbeitshypothese sein, den Gästen zunächst zuzuhören. Denn auch Vorurteile sind eine Form von Zensur.
news aktuell