97 Prozent aller traditionellen Geldhäuser fühlen sich durch FinTechs in ihrem Kerngeschäft bedroht – so ein Ergebnis aus dem Branchenkompass Banking 2016 von Sopra Steria Consulting. Die Studie zeigt aber auch, dass etablierte Institute inzwischen auf das veränderte Wettbewerbsumfeld reagieren. Ob Kooperation, Akquise oder Gründung eines hauseigenen Digital Spin-ins: In jedem Fall sollten die unterschiedlichen Möglichkeiten zur Adaption kundenzentrierter Digitalservices bankenindividuell und gegebenenfalls auch für verschiedene Geschäftsbereiche separat ausgelotet werden.
Die digitale Revolution hat die Tore zum Finanzdienstleistungsmarkt für neue Player weit geöffnet: Während viele Banken noch mit der Bewältigung diverser Krisenfolgen beschäftigt sind und insbesondere ihr Geschäftsmodell mit einem nie dagewesenen Zinstief in Einklang zu bringen versuchen, drängen junge FinTechs in die Marktarena: Klein, wendig und von haftungsrechtlichem Ballast so gut wie unbelastet, streben die Newcomer danach, sich mit digitalen Angeboten die Rosinen aus dem Kuchen der klassischen Wertschöpfungskette von Banken herauszupicken. Nur drei Prozent der deutschen und österreichischen Geldhäuser lässt diese Entwicklung kalt, wie ein aktuelle Umfrage für den Branchenkompass Banking 2016 von Sopra Steria Consulting zeigt.
Besonders deutlich sind die Auswirkungen bereits im Privatkundensektor sichtbar: So fühlen sich zum Beispiel nach eigenem Bekunden 90 Prozent der Genossenschaftsbanken sowie 88 Prozent der Sparkassen von branchenfremden Zahlungsalternativen im Internet bedrängt. Als Reaktion darauf hat die deutsche Kreditwirtschaft schon 2014 das gemeinsame Bezahlverfahren paydirekt aus der Taufe gehoben – wohl auch, um die Hoheit über die Kundenkontakte im boomenden Online-Handel nicht zu verlieren. Gleichwohl ist der Abstand zum 2004 in Deutschland gestarteten US-Dienst PayPal nach wie vor groß. Als bedrohlich empfinden die von Sopra Steria Consulting befragten Banken aber nicht nur FinTech-Unternehmen, sondern zu 72 Prozent auch entsprechende Angebote von digitalen Schwergewichten wie Google, Amazon, Facebook, Apple & Co. Dabei spüren die etablierten Institute eine wachsende Konkurrenz nicht zuletzt durch Portale, bei denen sich mehrere Konten per App bankübergreifend mobil verwalten lassen. Im Vergleich zum Branchenkompass Banking 2012 stieg die dadurch ausgelöste Besorgnis unter den Studienteilnehmern von 44 auf 68 Prozent. Kein Wunder, denn mit jedem verlorenen Kundenkontaktpunkt schwinden auch die Cross-Selling-Chancen für Banken.
„Über Jahrzehnte hinweg weitgehend unveränderliche Dienstleistungen weichen in der digitalen Ära hochflexiblen Servicemodellen mit extrem kurzen Technologie- und Innovationszyklen. Die Karten im Wettbewerb werden dadurch immer wieder neu gemischt“, kommentiert Markus Malz. Der Digitalisierungsexperte von Sopra Steria Consulting empfiehlt Banken daher, lieber heute als morgen vom Erfolg der FinTechs zu lernen. Tatsächlich planen bereits 23 Prozent der befragten Institute kurzfristige Investitionen für die Integration von FinTech-Lösungen; bei weiteren 47 Prozent steht dies mittel- bis langfristig auf der Agenda. Außer der direkten Kooperation mit einem FinTech-Startup bieten sich von Fall zu Fall auch andere Optionen an, die von der Akquise bis hin zum Aufbau einer bankeigenen Digital Unit reichen. Letzteres hätte den großen Vorteil, dass innovationsfördernde Vorgehensweisen wie Lean-Startup, agile Entwicklung oder Design Thinking im eigenen Haus fußfassen würden. Der ausgeprägte Kundenfokus, der all diesen FinTech-typischen Methoden zugrunde liegt, könnte dann idealerweise in die gesamte Organisation ausstrahlen.
Über die Studie:
Im Juli 2016 befragte das Meinungsforschungsinstitut forsa insgesamt 120 Vorstandsmitglieder und Führungskräfte der bedeutendsten Banken Deutschlands und Österreichs – davon 100 Institute aus der Bundesrepublik und 20 aus Österreich. In den computergestützten Telefoninterviews (CATI) ging es insbesondere um die Einschätzung wichtiger Branchentrends sowie um Investitionsziele der Teilnehmer bis 2019. Durch einen Ergebnisabgleich mit früheren Studien von Sopra Steria Consulting liefert der aktuelle Managementkompass nicht nur ein Bild vom gegenwärtigen Status quo, sondern arbeitet auch zeitliche Entwicklungslinien seit 2002 heraus.
(Quelle: Pressemitteilung von Sopra Steria Consulting)